kpw-photo: Sozialdokumentarische Photographie
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Bemerkungen zum Thema "Arbeiterfotografie"
Stand: 31.7.2019
Der Text ist noch in einer frühen Entstehungsphase - Hinweise und Beiträge sind willkommen - mail(at)kpw-photo.com
 
Die Bemerkungen beziehen sich auf zwei historische Konzepte und - wenn es das Material hergeben sollte - auf zwei historische Praxen, nämlich die Arbeiterfotografie in der Weimarer Republik (AF-WR) und die Arbeiterfotografie in der Bundesrepublik (AF-BR).
 

Dabei will ich zwei Fragen am historischen Material verfolgen:

Welches Verständnis von Fotografie und von Bildwirkung lagen den Konzepten zugrunde? Welche Rolle spielt dabei die "Realismus-Vermutung" gegenüber der Fotografie, die "sozialkonstruiert" die Geschichte dieses bildgebenden Verfahrens begleitet?

Was sind die gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen für die Umsetzung für die Konzepte gewesen? In welchem Maße bestanden diese tatsächlich? Und dann stellt sich die Frage, wie diese Frage für 2019 zu beantworten ist!

Im Anschluss möchte ich die aktuellen Chancen einer "emanzipatorische sozialdokumentarische Fotografie" diskutieren. Wo kann man versuchen, den alten Faden wieder aufzunehmen, wo ist es erforderlich, neue Fäden zu knüpfen?

 
Zwischenbemerkung: "emanzipatorische sozialdokumentarische Fotografie heute" - ein analytischer Zugang
 
Der Artikel Arbeiterfotografie in der Wikipedia (aufgerufen am 8.7.2019)
 

"Die Bewegung der Arbeiterfotografen ...... entstand als Teil der Arbeiterbewegung. Arbeiterfotografen dokumentierten während der Weimarer Republik die eigene soziale Lage und verstanden die Fotografie als „Waffe“ zur Veränderung der Gesellschaft" (Wikipedia-Artikel Arbeiterfotografie). Vom Konzept her sind es die Betroffenen selbst, die ihre Lage dokumentieren und diese nach Veränderung rufende Lage anderen Arbeitern, verstanden als Angehörige derselben Klasse, zu verdeutlichen. Die dazu entstehenden Fotografien werden in der Presse der (gespaltenen) Arbeiterbewegung in Artikel integriert und publiziert in der Absicht, die Leser zur Veränderung ihrer Lage zu motivieren und darin zu bestärken. Diese Verschränkung von "Gegenstand" (was wird abgebildet?), "Akteur" (wer fotografiert und publiziert?) und "Adressat" (wer wird angesprochen?) im Rahmen der Arbeiterbewegung markiert den zentralen Unterschied zu anderen Zusammenhängen sozialdokomentarischer Fotografie! Die - bewusst parteilich kontextualisierten - Bilder zielen nicht darauf ab, einflussreiche Personen oder "eigentlich zuständige" Institutionen des Staates zum Handeln für die Arbeiterschaft zu bewegen, sondern die Arbeiter selbst zu aktivieren.

Gerade im Vergleich zu den gut aufgearbeiteten sozialdokumentarischen Projekten wie etwa dem von Lewis Hine oder der "Farm Security Administration" (FSA) wird die grundlegende Differenz zum Konzept "Arbeiterfotografie" deutlich.

Inwieweit dieses Konzept "Arbeiterfotografie" praktisch umgesetzt wurde, wäre wohl zu untersuchen. Während zur Politik der KPD als wichtigstem Träger des Konzeptes viele und kontroverse Untersuchungen vorliegen und den politischen Rahmen diskutierbar machen, sieht dies für die Erzeugung und Nutzung der Bilder der Arbeiterfotografen in der Presse der Arbeiterbewegung anders aus. Mir sind jedenfalls keine Untersuchungen dazu bekannt, selbst zur bekanntesten Plattforn der "Arbeiter-Illustrierte-Zeitung" (AIZ) scheinen diese bisher zu fehlen. Deshalb bleibt es m. E. unklar, ob das - theoretisch sehr weitreichende - Konzept für eine Praxis taugte. So überzeugend m. E. das Konzept ist: seine Realisierung ist an eine Reihe von gesellschaftlich-politischen Voraussetzungen geknüpft, auf die sich diejenigen, die sich als Arbeiterfotografen verstehen, beziehen müssen, die sie aber selbst - von der Sache her - nicht "herstellen" können. Das Projekt "Arbeiterfotografie" in der Weimarer Republik war ein gesellschaftliches Projekt und geht nicht in der Praxis und den Absichten eines Fotografen auf.

Stichwort: Wie lässt sich eine "persönliche Haltung Arbeiterfotografie" umreissen? Hier oder auf der Seite "... heute"?

 

Zur Arbeiterfotografie in der Weimarer Republik:

  • Büthe, Joachim (1978): Der Arbeiter-Fotograf. Dokumente und Beiträge zur Arbeiterfotografie ; 1926 - 1932. 2. Aufl. Köln: Prometh-Verl. (Kulturpolitische Dokumente der revolutionären Arbeiterbewegung).
  • Fotogeschichte 127; Hesse, Wolfgang (Hg.) (2013): Fotografie im Klassenkampf. Arbeiterfotografie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Marburg: Jonas (Fotogeschichte, 33.2013, Nr. 127).
  • Hesse, Wolfgang (Hg.) (2014): Das Auge des Arbeiters. Arbeiterfotografie und Kunst um 1930 ; [anlässlich der Ausstellung "Das Auge des Arbeiters. Arbeiterfotografie und Kunst um 1930" Kunstsammlungen Zwickau, Max-Pechstein-Museum 23.5. - 3.8.2014, Käthe Kollwitz Museum Köln 14.8. - 12.10.2014, Stadtmuseum Dresden, Museen der Stadt Dresden 22.3. - 28.6.2014]. Kunstsammlungen Zwickau; Käthe-Kollwitz-Museum Köln; Stadtmuseum Dresden; Ausstellung Das Auge des Arbeiters. Arbeiterfotografie und Kunst um 1930. Leipzig: Spector Books.
  • Hesse, Wolfgang; Starke, Holger (Hg.) (2017): Arbeiter, Kultur, Geschichte. Arbeiterfotografie im Museum. Arbeiter | Kultur | Geschichte. Arbeiterfotografie der Weimarer Republik im Museum. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag (Bausteine aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, Bd. 37).
  • Kerbs, Diethart (2004): Botschaften von Überlebenden: Vorbemerkungen zu Geschichte der Arbeiterfotografie. In: Judith Baumgartner und Bernd Wedemeyer-Kolwe (Hg.): Aufbrüche - Seitenpfade - Abwege. Suchbewegungen und Subkulturen im 20. Jahrhundert ; Festschrift für Ulrich Linse. Unter Mitarbeit von Ulrich Linse. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 45–57. Link zum Text
  • Naumann, Christoph: Bildkulturen der Weimarer Zeit – Arbeiterfotografie als widerständige Visualisierungsstrategie. Link zum Text
  • Ricke, Gabriele (1974): Die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung. Gegenmodell zur bürgerlichen Illustrierten. 1. Aufl. Hannover: Internationalismus Verl.
  • Stumberger, Rudolf (2007): Klassen-Bilder. Sozialdokumentarische Fotografie 1900-1945. 2005. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft (Schriftenreihe des Instituts für Sozialdokumentation München, Bd. 1), S. 125 - 148
  • Willmann, Heinz (1974): Geschichte der Arbeiter-Illustrierten Zeitung 1921-1938. Berlin: V. Europäische Buch.
 

Zur Arbeiterfotografie in der Bundesrepublik

  • Arbeiterfotografie (Hg.) (1979): Arbeiterfotografie. Amsterdam: Van Gennep; Berlin (West) : Elefanten Press.
  • Eckenroth, Rolf D. (Bremen 1989): Die organisierte Arbeiterfotografie in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin, Humboldt-Univ., Diss. A, 1989
  • Stumberger, Rudolf (2010): Klassen-Bilder. Sozialdokumentarische Fotografie. Konstanz: UVK-Verl.-Ges (Schriftenreihe des Instituts für Sozialdokumentation München, 2), S. 215 - 255
 
 
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